Die anspruchsvolle „Generation Y“ ist am Arbeits­markt angekommen. Wie sich allerdings die begehrten, aber unverstandenen „Millennials“ führen lassen, darüber scheiden sich die Geister.

von Andreas Aichinger

Sie finden sich selbst gut und lieben das gute Leben. Sie sind top ausgebildet, fähig zu Höchstleistungen – und manchmal sogar bereit, sie zu erbringen. Trotz ihrer fast schon unnatür­ lichen Selbstsicherheit gelten sie auch als Zauderer und Zöge­ rer, denen Commitment erst einmal schmackhaft gemacht werden muss. Glück statt Geld, Lebensqualität statt Karriere um jeden Preis – das ist anders, das ist neu. Sie machen viel Sport und haben viel Spaß, sind total „bio“ und ein bisschen „bobo“ und backen manchmal sogar selbst Brot. Glutenfrei, versteht sich. Sie wurden im digitalen Zeitalter sozialisiert und inszenieren sich und ihre makellose Lebenswelt auf Instagram, Facebook und Co. Ihr gesellschaftspolitsches Engagement beschränkt sich oft auf das „Liken“ einer Facebook­Initiative. Sogar dann, wenn das Ausbleiben von nachhaltigen Pensions­ reformen an der eigenen Zukunft nagt. Papas klirrkalter Winter in der Hainburger Au? Ja eh. Und bei alldem duzen sie konsequent alles, was sich bewegen kann. Klischee oder launige Beschreibung mit wahrem Kern? Fix ist nur, dass sich die sogenannte „Generation Y“ der etwa zwischen 1980 und 2000 Geborenen natürlich nicht so einfach über einen Kamm scheren lässt. Aber wenigstens unter den Top­Ausgebildeten von ihnen zeichnen sich doch bemerkenswert neuartige Muster ab: Die Suche nach Sinn im Job statt Motivation durch Macht, Status und Prestige ist wohl so ein Muster. Und wenn es für die Generation Y doch so etwas wie ein Statussymbol gibt, dann vielleicht das vegane Menü in der von Google inspirierten Bio­Kantine.

Glück statt Geld. Auch die Anzahl der Untergebenen ist kein echter Bringer mehr. Denn selbst zu führen gehört nicht zu den Lieblings­Szenarien der Ypsilons. Wozu auch – Hierarchie ist ja ohnedies retro. So wie das Lebensmodell, sich für unge­ wissen Erfolg in der Zukunft unhinterfragt die Finger wund zu arbeiten. Gerade jüngere Männer finden heute deutlich weniger Charme als einst ihre Väter darin, nur als gestresster Wochenend­Daddy in Erscheinung zu treten, um dann mit Anfang 50 von Herzinfarkt, Burnout und Co. ins Out gekickt zu werden. Privates Glück ist somit tatsächlich vielen Millen­ nials (wie sie in den USA genannt werden) wichtiger als eine makel­ und lückenlose berufliche Karriere. Fakt aber ist: Die zahlenmäßig eher kleine Generation Y hat die Demografie auf ihrer Seite. Ihre bestens ausgebildeten Vertreter – alle anderen werden im Prinzip ohnehin nicht unter dem Begriff subsu­ miert – sind in der Wirtschaft heiß begehrt. Dabei stellen sie hohe Ansprüche, können aber oft gar nicht so genau erklären, warum eigentlich.

Aber es stimmt schon: Im Schnitt dürften diese jungen Men­ schen besser ausgebildet, internationaler und vielsprachiger sein als alle früheren Generationen. Wer mehr in seine Ausbildung investiert hat, in jeder Hinsicht mobil ist und auch noch um den Mangel an qualifizierten Top­Kräften weiß, hat somit alle Trümpfe in der Hand. Und das wiederum bedeutet: Die Vertreter der Generation Y sind eine echte Herausforde­ rung für Unternehmen. Und besonders für alle, die sie führen wollen – oder müssen.

Österreich hat Aufholbedarf. Darüber sind sich alle Experten einig: Wer als Führungskraft diese jungen Leute in ein Unter­ nehmen integrieren und zu Höchstleistungen anspornen will, muss umdenken. Denn viele der alten Regeln haben ihre Gül­ tigkeit verloren. Klassische Statussymbole zum Beispiel – vom fetten Dienstwagen bis zum verglasten Büro mit Top­Aus­ sicht – taugen nicht mehr so recht als Anreiz. Der Leadership­ Experte, Buchautor und international gefragte Keynote­ Speaker Peter Baumgartner kann das „nur unterstreichen“. Wenn gut ausgebildete Millennials darüber hinaus heute nicht mehr bereit wären, ihre Lebensqualität auf dem Altar der beruflichen Karriere zu opfern, dann könne man ihnen zum Fokus auf Lebensqualität nur gratulieren, findet Baumgartner. Sein Befund: „Wir haben beim Umgang mit der Generation Y im internationalen Vergleich enormen Aufholbedarf.“ Das sei einerseits der Kleinstrukturiertheit Österreichs geschuldet, aber auch einer gewissen Ignoranz, glaubt der 45­Jährige. Während seine Thesen zu Leadership hinsichtlich der Gene­ ration Y international – und sogar in Afrika – Zustimmung finden würden, wäre man hierzulande noch nicht so weit. Peter Baumgartner: „In Österreich blicken mich oft noch ungläubige Augenpaare an, die sich das Ganze anders wün­ schen.“ Und das ist für den Leadership­Experten ein Problem: „Nur wer die Bedürfnisse der Generation Y ernst nimmt – und das ist der erste und unabdingbare Schritt –, wird in Zukunft wirtschaftlich reüssieren können.“

Powder und Projekte. Was aber sind nun tatsächlich die Spezi­ fika einer Führungskultur für Millennials? Baumgartner, dessen aktuelles Buch „Lead to succeed” sich als „Leadership Manual“ versteht, definiert eines der zentralen Charakteris­ tika der Millennials: „Autorität hat für die Generation Y nur mehr Berechtigung kraft Person, nicht mehr kraft Position.“ Frühere Generationen hätten sich noch hierarchisch, manch­ mal sogar „militärisch“ führen lassen, so der Leadership­ Profi. Allerdings: „Von dieser Art zu führen würde ich – mit der Ausnahme von zeitlich beschränkten, existenzbedro­ henden unternehmerischen Situationen – dringend abraten.“ Während der Glaube an eine ständig prosperierende Wirt­ schaft und die Bindung zu einem Unternehmen im Schwinden wären, lasse sich eine Verbundenheit nur mehr zu „span­ nenden Projekten“ herstellen. Logische Konsequenz: „Füh­ rungskräfte müssen für wichtige und interessante Aufgaben die richtigen Köpfe aufspüren und engagieren.“ Die Heraus­ forderung: „Gute Leute sind knapp und werden immer knap­ per.“ Um die eigene Attraktivität für jungen, qualifizierten Nachwuchs zu steigern, würden gerade deutsche Top­ Unternehmen zusehends Arbeitsplätze an „coole und chillige“ Orte verlegen. Orte, an denen sich etwa vor oder nach dem Job auch schon einmal ein paar Snowboard­Schwünge im „Powder“ (Anm.: unberührter Pulverschnee) ziehen ließen. Gerade in Österreich gäbe es „enormes Kapital“, um dem Nachwuchs in dieser Hinsicht etwas zu bieten. Peter Baum­gartners Appell: „Egal, ob das jetzt jemand gerne hört oder nicht: Topleistungen am Arbeitsplatz verschmelzen mehr und mehr mit Lebensqualität und Freizeitkultur.“

Beach statt Desktop? „Was muss ein Unternehmen machen, um cool, elitär und begehrenswert zu sein?“ Thomas M. Egger, Geschäftsführer und Mastermind des Wiener Manage­ ment­ und Teamtraining­Anbieters Horse Power, stößt in das gleiche Horn. Unternehmen wie Google, Apple und Co. hät­ ten ja längst vorgezeigt, wohin die Reise geht, so der Doktor der Technischen Chemie, der langjährige Führungserfahrung bei Top­Playern wie OMV und Unilever vorweisen kann. O­Ton Egger: „Das Konzept dieser Unternehmen geht weg vom klassischen Schreibtischjob. Das Modell ist eher: Arbeite, wo du willst, und berichte deinen Kollegen darüber, wie genial es war, am Strand ein Konzept zu schreiben.“ Doch selbst wenn lediglich im Homeoffice gearbeitet wird, sind neue Wege bei der Überwindung des an Ort und Zeit gebundenen Arbeitens gefragt: BMW beispielsweise geht seit einer 2014 geschlossenen Betriebsvereinbarung schon so einen Weg. Dem­ nach wird auch Arbeitszeit außerhalb der Büros erfasst, um­ gekehrt werden Mitarbeiter angehalten, bewusst und selbst­ bestimmt Zeiten der Nicht­Erreichbarkeit festzulegen.

Pferde-Stärken. Das Gehalt sei den bis zu 35­Jährigen indes immer noch wichtig, aber letztlich nur sekundär, meint Horse­Power­Chef Egger. Im Vordergrund stünden vielmehr andere Schlüsselfragen: „Macht mich der Job glücklich? Kann ich das verfolgen, was ich will? Kann ich meine Ideen um­ setzen und ausleben?“ Das Gebot der Stunde ist somit auch unter diesen Gesichtspunkten zeitgemäße Leadership, die auf natürliche Autorität statt auf künstliche Hierarchie setzt. Der Clou: Um Führungskräfte zu trainieren, bedient sich Egger eines ganz besonderen Mediums, nämlich einiger Pferde.

Warum sich in der Reithalle besser als in einem Seminarraum zeigen lässt, wie sich junge High Potentials samt ihren Ideen und Erwartungen ins Unternehmen integrieren und somit letztlich führen lassen, erklärt Thomas M. Egger so: „Pferde kommunizieren in einer Herde mit minimalster Körpersprache und leisesten Lauten. Ein Ohrenzucken reicht, um etwas sehr klar zu signalisieren.“ Die Tiere würden mit jedem Menschen anders agieren, jeder wäre eine „einzigartige Wahrnehmung“ für sie, so Egger. Gerade durch die Arbeit mit den Herdentie­ ren würde es Menschen möglich, aus sich herauszugehen und gleichsam als empathisches „Alphatier“ neue Seiten nach außen zu kehren. Was also können Führungskräfte von Pfer­ den lernen? Der Top­Trainer: „Die effiziente und klare Kommu­ nikation von Entscheidungen und den jeweils verfolgten Zie­ len sowie das Übernehmen von Verantwortung für das Team.“

Auch bei Hubert Hölzl nehmen die gesteckten Ziele eine zen­ trale Rolle ein. Der Chef des Management­Coaching­Anbie­ ters Hölzl & Partner mit Sitz in Lindau am Bodensee emp­ fiehlt Führungskräften, qualifizierte, junge Mitarbeiter durch eine gezielte Weiterentwicklung ihrer individuellen Fähig­ keiten bei der Stange zu halten und mit ihnen zu diesem Zweck „bewusst Ziele außerhalb deren Komfortzone“ zu verein­ baren. Nur so könne es gelingen, die Potenziale möglicher Mit­Denker zu erkennen und auszubilden sowie letztlich aus Mit­Arbeitern Mit­Gestalter mit Eigeninitiative zu machen, so Hölzl. Für ältere Führungskräfte hat Hubert Hölzl eine eindringliche Warnung auf Lager: „Mitarbeiter auf diesem Niveau lassen sich nur von echten Persönlichkeiten führen. Fehlt es auf Dauer an Führungsqualität, gehen sie und der Flurschaden ist groß.“ Anspruchsvolle Leistungsträger der Generation Y ließen sich eben schon lange nicht mehr über Weisungsbefugnis und Richtlinienkompetenz führen. O­Ton Hölzl: „Leistungsträger entscheiden heute selbst, ob sie einer Person das Recht einräumen, sie zu führen.“ Wer also die Generation Y an ein Unternehmen binden und zu Höchstleistungen anspornen wolle, müsse dringend umdenken: „Statt mit Appellen und Weisungsbefugnis führen die Chefs im Dialog, inklusive Feedback und Konfliktmanagement.“ Tabus in der Kommunikation hätten da keinen Platz mehr, vielmehr müsse das Hinterfragen und der Widerspruch vonseiten der Mitarbeiter als Chance begriffen werden. Solche Chefs „legen Wert darauf, dass die beste Idee zählt, nicht ihre eigene“, skizziert der Führungstrainer vom Bodensee den Idealzustand.

Mit-Gestalter oder Ich­ich­ich? Doch es gibt auch Skeptiker, die es für einen Fehler halten, allen Ansprüchen der „Ich­ich­ ich­Generation“ (© Nachrichtenmagazin Time) nachzugeben. Etwa Paul Harvey, Management­Professor an der Universität New Hampshire, der sich intensiv mit den Millennials be­ schäftigt hat. Eine übertriebene Selbstwahrnehmung, unrea­ listische Erwartungen und ein tief sitzender Widerstand gegen Kritik und negatives Feedback gehören für ihn zu jenen pro­ blematischen Tendenzen, die auch von US­Unternehmen zu­ sehends thematisiert würden. Die Wurzeln dafür sieht Harvey vereinfacht gesagt in einer Kindheit, in der das Problemati­ sieren von Fehlern zu kurz gekommen, die Stärkung des kind­ lichen Selbstbewusstseins hingegen übertrieben worden sei. So oder so: Die Herausforderung der Generation Y ist längst eine Tatsache, an der kein Unternehmen mehr vorbeikommt. Und es ist noch nicht zu spät, um dazuzulernen: Zwar habe der Wandel in der Arbeitswelt „längst begonnen“, schreibt Buchautorin Kerstin Bund („Glück schlägt Geld. Generation Y: Was wir wirklich wollen“) in der Zeit. Aber auch: „Es ist keine laute Revolution, meine Generation zieht nicht fahnen­ schwenkend durch die Straßen oder rüttelt an Konzerntoren. Wir verändern Wirtschaft und Gesellschaft lautlos und schlei­chend, aber danach wird die Berufswelt eine andere sein.“