Eine der bemerkenswertesten Analysen über den Erfolg junger Popstars in der Politik lieferte kürzlich der deutsche Medienwissenschaftler Norbert Bolz, in der er den Aufstieg von Sebastian Kurz, Emmanuel Macron oder Justin Trudeau miteinander verglichen hat. Sein Resümee: „Sie sind jung, schlank, intelligent, rhetorisch begabt und sehen ziemlich gut aus. Aber darf das irgendetwas mit Politik zu tun haben?“ Ja, sagt der Berliner Medien- professor, denn Ästhetik spielt für den Erfolg in der Politik eine größere Rolle, als viele Beobachter es wahrhaben wollen. Der Politiker als Medienstar ersetzt den charismatischen Führer, aus Selbstdarstellern werden Schauspieler. Medienberater, Marketing-Experten und Spin Doctors werden daher immer wichtiger. Sie behandeln den Politiker wie das Produkt einer Firma, die den Kunden mit einer Kultmarke faszinieren will. Die Attraktiven sind eben sympathisch und Jungsein bedeutet: unbelastet und unkorrumpiert durch den politischen Apparat. Sie funktionieren als Hoffnungsträger, als Projektionsflächen für unsere Wünsche und Sehnsüchte.
Privatsphäre ade
Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn was die neue Generation der sogenannten „Millennials“ – also jene von 1980 bis 1999 Geborenen, die längst auch in Unternehmen an die Macht streben – auszeichnet, „ist das Wissen, wie soziale Medien funktionieren“, sagt Markus Huber, Social-Media-Stratege und selbst Unternehmer der „Generation Kurz“, den wir in dieser Titelgeschichte mit sechs anderen jungen Aufsteigern porträtiert haben. „Politiker müssen lernen, einen Teil ihrer Privatsphäre aufzugeben und somit ihren Fans mehr Einblick in ihr Privatleben und in den Tagesablauf zu geben“, sagt Huber, der gemeinsam mit Petra Huber-Ackerl die Linzer SMC Social Media Communications GmbH leitet. „Unsere Gene- ration um die 30 legt Wert auf eine tolle Arbeitsatmosphäre und den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. Es gibt bei uns zu Hause praktisch keine Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben“, spannt Huber den Bogen von der Politik in die Unternehmenswelt.
Wie der Volkskongress Chinas
Es braucht den frischen Wind der Jun- gen in allen Bereichen. „Der ständige Ausschuss im Nationalen Volkskongress Chinas war mit seinem extrem hohen Durchschnittsalter noch nie unser Vor- bild und wird es auch nie sein“, sagt der Berater Peter Baumgartner aus Gmun- den. In solchen Gremien herrsche selten Konfrontation, dafür stets hohe Übereinstimmung, „dort nicken alle alles ab“. Klar, heute entscheiden in unserer Wirt- schaft und Politik noch viel zu oft Leu- te, die ihre Zukunft schon hinter sich haben. „Aber ist es automatisch besser, wenn ab sofort jene entscheiden, die noch keine wirkliche Vergangenheit haben?“, fragt Baumgartner. Ein gewisses Maß an Lebenserfahrung lässt sich eben durch noch so schnelle Aufstiege auf den beruf- lichen Karriereleitern und Unmengen von Selfies mit dem Volk nicht ersetzen. Wenn die den Millennials zugeschrie- benen „Eigenheiten“ wie Empathielosig- keit und Ich-Ich-Ich-Denken nur ansatz- weise stimmen, bleibt zu hoffen, dass viele Organisationen auf eine gesunde Mischung der Generationen setzen. Der Konflikt der Generationen bringt uns voran! Baumgartner: „Wenn die Millen- nials-Führungskräfte das für alle umset- zen, was sie für sich selbst fordern – mehr Flexibilität, mehr Spaß, mehr Glück –, dann sind wir auf dem richtigen Weg.“
Junge retten die Old Economy
Auf die Umsetzung kommt es letztlich an. Kurz muss ebenso liefern wie Macron oder Mark Zuckerberg. Auf die Millennials warten enorme Aufgaben, denn ihnen gehört die Zukunft. „Wir erleben eine Krise der Wirtschaft und des politischen Leader- ship, der Kapitalismus steht seit der Finanzkrise von 2008 unter Kritik“, sagt Henrik Storm Dyrssen von Leksell Social Ventures in Stockholm. Er glaubt an die neuen Fähigkeiten der Millennials, die Probleme lösen zu können. Manche bezeichnen die neue Generation gar als die Retter der Old Economy. „Die junge Generation definiert unsere Zukunft. Anstatt Generationenkonflikte heraufzubeschwören, sollte die Wirtschaft ihre Überlebenschance in ihr erkennen“, sagt die Autorin Anne M. Schüller.
Text: Klaus Schobesberger und Jürgen Philipp