KRISE BEDINGT AUTORITÄRE FÜHRUNG

Autoritäre Führung gehört der Vergangenheit an. Für Redner Peter Baumgartner gerade in der Krise nicht. Ein Gespräch über transformative Autorität in der Führung, Optimismus und den Glauben an die Jugend.

Die Krise hat viele schwer getroffen: hohe Arbeitslosenzahlen, finanzielle Einbußen, Unternehmensschließungen etc. Warum bleiben Sie dennoch optimistisch?

Peter Baumgartner: Weil die Chance nur so groß ist wie der Optimismus. Was bleibt uns denn übrig? Nur der Schritt nach vorne. Es geht für mich auch um soziale Verantwortung. Und Tirol ist wunderbar geeignet: Irgendwelche Leute aus der Tiroler Wirtschaft sitzen jetzt irgendwo und entlassen Tausende Mitarbeiter im Werk. Ich finde es fürchterlich, wenn man in Krisenzeiten sofort Leute entlässt. Das war etwas überreagiert, man hätte in dieser Phase mehr Optimismus gebraucht. Krisenmanagement hat eine Aufgabe – nicht die Krise zu managen, sondern aus der Krise herauszuführen. Das ist das Ziel. In Österreich sind wir sehr gut, in der Krise zu managen, weil wir fasziniert sind vom Problem. Wenn Menschen ohne Steigeisen und Seil auf den Gletscher gehen, dann sind sie in der Krise. Ich muss mich aber vorher fit halten: Ohne diese Dinge einen Gletscher besteigen zu wollen, ist ein Fehler. Jetzt kann ich einen Zukunftsforscher anrufen und der sagt mir, ich solle abwarten, die Gletscher schmelzen eh, dann kann ich weitergehen. Das sind aber keine Strategien.

Autoritäre Führung gehört aber der Vergangenheit an, oder?

Baumgartner: Gerade in der Krise nicht. Das ist ein Satz, den Sie von mir nicht erwarten. Agilität hat nichts mit „nicht autoritär sein“ zu tun. Sie können ein Unternehmen agil führen, indem einer allein Entscheidungen trifft. Wenn Sie für eine Entscheidung fünf Sitzungen machen und alles 20-mal durchbesprechen, sind Sie viel zu langsam. Aber wenn einer entscheidet, sind Sie sehr agil. Autorität ist wichtig, aber im Wandel der Zeit gesehen. Mit der vertikalen Autorität, das ist oben und das ist unten, können Sie nur noch Schiffbruch erleiden. Heute sprechen wir von der transformativen Autorität. Ich finde, dass Menschen es in Krisen schätzen, wenn jemand sagt, das ist der Weg, dort gehen wir hin. Das hat sich bewährt, auch bei einem Gewitter am Berg vertrauen wir dem ausgebildeten Bergführer, der Entscheidungen trifft. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin für flache Hierarchien, für gemeinschaftliche Lösungen, für emotional intelligente Führungskräfte. Aber gerade in der Krise mögen es die Menschen, wenn jemand sagt, das lösen wir jetzt so, denn die Führungskraft als Vorbild hat schon einen gewissen Charme, eine gewisse Bedeutung. Und auch viele junge Menschen suchen nach positiven Vorbildern.

Wer ist für Sie als Entscheider ein Vorbild, wer macht alles richtig?

Baumgartner: Gibt es jemanden, der alles richtig macht, das ist eine sehr gute Frage. Niemand macht alles richtig. Den vollkommenen Menschen, die vollkommene Führungskraft gibt es nicht. Das ist eine Chimäre, würde ich einmal sagen. Genauso, wie es nicht die vollkommenen Eltern, den vollkommenen Ehepartner gibt.

Was unterscheidet demnach einen guten von einem schlechten Chef?

Baumgartner: Da gibt es ein paar Dinge, ein Dreigestirn aus Empathie, Wertschätzung und einer zuversichtlichen Grundhaltung.

Können Sie diese Punkte erklären?

Baumgartner: Wenn ich als Führungskraft nicht zuversichtlich bin, wer soll es denn dann sein? Zuversicht als Chefsache sozusagen. Dabei sind Zuversicht und Zukunftsfähigkeit miteinander verbunden. Ich muss das Unternehmen so führen können, dass es dieses morgen noch gibt. Empathisch muss ich sein, was meine Mitarbeiter anbelangt, was meine Führungsfähigkeiten betrifft, aber ich muss auch Empathie mitbringen, was den Markt, was die Zukunft der Märkte, der Produkte angeht. Es geht darum, eine offene Grundhaltung zu haben. Darüber hinaus entscheidet auch der Charakter einer Führungskraft: Wenn ich die Menschen begeistern kann, wenn ich sie wertschätze und für Zugehörigkeit sorge, dann habe ich wesentliche Dinge erreicht.

Wie werden Führungskräfte zu Vorreitern?

Baumgartner: Es ist Grundvoraussetzung einer Führungskraft, sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen, das Unternehmen fit zu machen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ich berate viele Unternehmen und mache Online-Schulungen. Bei einer Schulung waren von insgesamt zwölf Teilnehmenden alles Führungskräfte, sechs Bildschirme schwarz. Als ich sie gebeten habe, die Kamera einzuschalten, teilten sie mir mit, dass sie keine Kamera hätten. Unternehmen schreiben sich groß „innovativ“ auf das Firmenplakat oder das -gebäude, und drinnen sitzen Menschen an Rechnern, die nicht einmal eine Kamera haben. Das heißt, die Unternehmen haben sich nicht zukunftsfit gemacht. Vorreiter bin ich dann, wenn ich meine Hausaufgaben mache und wenn ich das Unternehmen am Puls der Zeit halte. Kleine Unternehmen sind hier meist besser aufgestellt als große Unternehmen.

Was macht Organisationen zukunftsfähig?

Baumgartner: Nicht Trends hinterherzulaufen, sondern Trends zu setzen. Österreicher haben die Tendenz, dem vorbeifahrenden Zeitgeistexpress hinterherzurennen und mit letzter Puste noch hinten aufzuspringen. Als Unternehmer muss ich aber vorne denken, die Schienen legen. Sie müssen doch wissen, wo der Zug hinfährt. Das ist mein Begriff von Zukunft.

Statistiken zufolge leidet die Jugend unter der Krise. Sie bleiben aber auch hier optimistisch?

Baumgartner: Ja, ich glaube an diese Jugend. Sie wurde schon genug gescholten für das, was sie alles nicht kann. Mich stört auch, wenn sie nicht grüßen können, das ist klar. Aber dafür können junge Menschen ganz viele andere Sachen. Sie programmieren eine App, sie machen eine Powerpoint-Präsentation besser als irgendwelche Firmenlenker, sie haben mehr Wissenszugang als die Großen unserer Generation, sie sind auch oft sehr sozial- und umweltfreundlich eingestellt. Das heißt, ich sehe große Chancen. Eigentlich muss ich als Unternehmenslenker dafür sorgen, dass ich diesen Clash der Generationen positiv meistere. Dass die Älteren von den Jüngeren lernen und umgekehrt. Das wäre für mich das Idealbild eines Unternehmens. Dazu gehört auch, dass wir am Ende der Selbstgefälligkeiten von Führungskräften angelangt sind. Ich muss mir heute auch von einem jungen Menschen etwas sagen lassen. Warum sollte man auf Dinge verzichten, die die jungen Menschen wissen?

Das Gespräch führte Nina Zacke