Erster unter Gleichen

Leadership bedeutet die Fähigkeit, Menschen und Ereignisse zu beinflussen. Also Menschen anzuregen und sie zu inspirieren, sich freiwillig und begeistert für gemeinsame Ziele einzusetzen. Optimisten, die auf Augen- höhe kommunizieren können, sind gefragt.

Text: Peter Baumgartner
Fotos: Alexander Turnbull Library, National Library Of New Zealand, Wellington/Neuseeland

Leadership wird als Begriff in den letzten Jahren zunehmend populärer. Unternehmen sehen im Führungsstil einen Wettbewerbsvorteil. Bei Kongressen und Seminaren rücken Leadership-Themen in den Vordergrund. Zu- dem steigt die Nachfrage an Veröffentlichungen dazu. Nur gemeinsam gelingt es, große Vorhaben zu meistern. Niemals alleine, indessen umgeben von loyalen Mitstreitern. Übergeordnete Ziele erreichen alle, die ihren Mitarbeitern auf Augen- höhe begegnen. Kommunikation ist der Schlüssel dazu. Der Unternehmenslenker ist selbst der erste und beste Mitarbeiter.

Erster unter Gleichen – „primus inter pares“, dieser Führungsgrundsatz wird getragen von fünf zentralen Punkten:

  1. Charakter und Charisma entscheiden: Sie vermitteln Hoffnung und führen zu einem besseren Leben.
  2. Der Mensch ist Mittelpunkt: Leader berücksichtigen die Bedürfnisse der Menschen.
  3. Wertschöpfung durch Wertschätzung: Geschätzt werden zählt zu den grundlegenden Wünschen aller.
  4. Kommunikation und Gesprächsführung bewirken Erfolg: Unsere Zukunft hängt unmittelbar mit der Kommunikationsfähigkeit zusammen.
  5. Wer heute Leistung verlangt und fordert, muss auch Sinn bieten können: Was Führungskräfte ausstrahlen, kommt unvermeidbar bei ihren Mitarbeitern an.

Wer erfolgreich führt, hat eines erkannt: Menschen groß machen.

Ein Leader beeinflusst zwangsläufig die Ziele und Motive seiner Mitarbeiter. Menschen vertrauen eher einem Lea- der, der Zuversicht vermittelt und eine Perspektive bietet als einem, der auf die wichtigen Existenzfragen der Organisation und damit auch der Mitarbeiter keine Antworten geben kann. Leadership ersetzt herkömmliche Führungsansätze von Belohnung und Kontrolle durch persönliche Stärken und vorgelebte Überzeugung. Die Mitarbeiter interessieren sich nicht dafür, welche Positionsbezeichnung ihr Leader genau trägt. Die Menschen lesen selten Führungsgrundsätze, sondern sie wollen wissen: Wer ist der Mensch hinter der Führungskraft?

Wer andere erfolgreich führen will, muss sich drei Hauptaufgaben widmen:

  1. Jeder Mensch in Führungsverantwortung braucht Charakter und Charisma.
  2. Nur wer die Menschen wirklich in den Mittelpunkt seines Handelns stellen kann und will, wird langfristig erfolgreich sein.
  3. Klarheit und gesunder Menschen- verstand punkten deutlich gegen- über Absichtserklärungen und Unwahrheiten.

Wer heute Leistung verlangt und fordert, muss auch Sinn bieten können. Wenn eine Führungskraft nicht motiviert ist, kann sie machen, was sie will: Das, was sie ausstrahlt, kommt unvermeidbar bei den Leuten an. Bevor ein Leader in der Lage ist, Optimismus zu verbreiten, muss er Optimismus in sich tragen. Optimisten glauben daran, dass irgendwie, auf irgendeinem Weg die Aufgaben zu meistern sind. Zumindest auf lange Sicht. Optimismus ist Pflicht.

Wer meint, Menschen managen zu können, wird sie verlieren. Menschen lassen sich nicht wie Rohstoffe oder Kapital managen, sie sind nicht als willenlose Objekte organisierbar und schon gar nicht mit Kennzahlen kontrollierbar. Menschen können nicht beliebig an- und ausgestellt, erweitert oder stillgelegt werden, wenn sie nicht den Anforderungen genügen. Alle betrieblichen oder organisatorischen Probleme sind letztendlich auf menschliche Probleme zurückzuführen. Erfolg beruht zu 85 Prozent auf persönlichen Kompetenzen und nur zu 15 Prozent auf fachlichen Kompetenzen. Leadership selbst basiert auf der Fähigkeit zu fordern und zu fördern.

Leader schöpfen die Potenziale ihrer Mitarbeiter und ihres Unternehmens aus, ohne sie zu erschöpfen.

Menschen Mut machen

Vor genau 100 Jahren, im Sommer 1914, entschwindet eine Polarexpedition aus der Welt. Ihr Expeditionsleiter, der legendäre britische Antarktis-For- scher Sir Ernest Shackleton. Seine fulminante Endurance-Expedition ist das kühnste Abenteuer des 20. Jahrhunderts. Die Endurance blieb im Eis stecken und wurde zerdrückt. 28 Männer waren Schiffbrüchige in einer der am schwersten zugänglichen Regionen der Erde. Shackleton holte in einem 7-Meter-Rettungsboot über 1.400 Kilometer im stürmischsten Meer der Welt Hilfe. Alle Männer überlebten und kamen im August 1916, nach insgesamt 635 Tagen, zurück in die Zivilisation.

Egal welche Umstände vorherrschen, ein guter Leader wird auch heute alles für seine Leute tun. Shackleton meisterte Probleme, die heutigen Führungskräften vertraut sind. Eine heterogene Gruppe dazu bringen, auf ein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten, sich mit Neinsagern auseinandersetzen, die Pessimisten aufmuntern, die Unzufriedenen davon abhalten, die Atmosphäre zu vergiften, Langeweile und Erschöpfung bekämpfen, Ordnung und Fortschritte in einem chaotischen Umfeld schaffen und mit knappen Ressourcen auskommen. Ihm ist es gelungen, Geschäftsprozesse zu managen und Menschen zu führen.

Was macht Shackleton so einzigartig? Dass er unter den größten vorstellbaren Bedrohungen in 22 Jahren Polarforschung nie ein Menschenleben verlor – eine beispiellose Bilanz. Und, dass er richtige Entscheidungen bei minus 57 Grad getroffen hat. Dadurch führte er sein Team durch den Sturm, eine Eigenschaft, die auch heute äußerst gefragt ist.

Erfolg, egal ob in der Antarktis oder in der Wirtschaft, bedeutet: überleben.

Leadership und Management

Viele verwechseln heute Manage- ment mit Führungskunst. Dabei erreicht jemand, der gut führt nicht nur, dass die Mitarbeiter seine Aufgaben ausführen, sondern auch, dass sie ihn unterstützen wollen. Vereinfachend ausgedrückt hat der Manager Untergebene, während der Leader von Unterstützern umgeben ist.

Management ist ausgerichtet auf die rein funktionale Unternehmens- ebene. Wie gelingt es uns effizient, die täglich relevanten Dinge abzuarbeiten? Leadership beschäftigt sich mit der übergeordneten Ebene. Passt die Ausrichtung? Welche Ziele wollen wir auf welchen Wegen realisieren? Sowohl Management als auch Leadership sind von großer Bedeutung. Doch heute benötigen wir vor allem Leadership.

Unternehmerisches Handeln kön- nen wir reduzieren auf: Menschen, Pro- dukte, Profite. Die Menschen stehen an erster Stelle. Wer kein gutes Team hat, beschränkt sich selbst.

Vorbild sein

Sinnstiftendes Vorbildverhalten bringt Menschen dazu, sich einzusetzen. Vorbild sein ist die zentrale Führungsaufgabe. Worte sind oft nicht stark genug, um Menschen zu überzeugen. Unvergleichlich mehr Kraft liegt im Verhalten:

  • Niemand erwartet von einer Leaderpersönlichkeit, dass sie perfekt ist. Nur authentisch und aufrichtig muss sie sein.
  • Leader gehen den gleichen Weg wie ihre Mitarbeiter, nur gehen sie eben voran.
  • Umgekehrt ist es jedoch viel wichtiger, Menschen, die in Schwierigkeiten sind, Schub zu verleihen.

Damit erzielen Leader ausgezeichnete Ergebnisse.

Ein Leader ist bereit, wieder und wie- der einen Extraschritt für seine Leute und für sein Unternehmen zu gehen und dies tut er mit Begeisterung. Begeisterung, die ihm anzusehen ist und die sich auf sein Team überträgt. Nur mit Begeisterung lässt sich dauerhaft Höchstleistung erbringen. Leistung basiert auf leidenschaftlicher Begeisterung.

Wir brauchen Vorbilder, mehr denn je. Es geht nicht primär darum, Aufgaben vorbildhaft zu erledigen. Es geht um mehr. Es geht um Vorbilder in die richtige Richtung. Wir brauchen Führungspersönlichkeiten, die Charakter und Kompetenz vereinen. Leader, die Entscheidungen treffen, denen die Menschen vertrauen und folgen.

Charakter und Charisma entscheiden

Die Führungsliteratur ist übervoll mit Unterscheidungen, Erkenntnis- sen und Methoden. Vieles davon ist weder neu noch überraschend, noch über- zeugend. Leader überzeugen nur durch Charakter und Charisma.

In Zeiten erhöhter Unsicherheit schallt der Ruf nach Leadership meist laut. Wird es kritisch, steht ein Leader als ruhender Pol in seiner Mannschaft und hilft selbst, die kritischen Situationen zu meistern. Leader werden in Krisen gemacht. Es sind immer die kritischen Situationen, die Sieger von Verlierern trennen. In stürmischen Zeiten erweist sich, ob Führungskräfte nur für den Schönwettereinsatz geeignet sind oder ob sie bei rauer See Kurs halten und im Sturm einen Untergang verhindern können. Schönwettersegler gibt es genug. Ein Leader muss über einen reifen Charakter verfügen. Zwangsläufig, denn geht der über Bord, ist alles verloren.

Menschen und Organisationen werden nicht zwingend an dem gemessen, wodurch ihre Krisen ausgelöst werden, sondern vielmehr daran, wie sie mit ihren Krisen umgehen. Charisma bedeutet, Leute mitreißen. Charisma ist gleichzusetzen mit einer Bewirkkraft. Personen, die darüber verfügen, bewirken mehr als jene, die uncharismatisch sind. Durch Überzeugungskraft und Ausstrahlung können Leader Menschen für neue Ideen begeistern. Diese innere Stärke befähigt sie zu großartigen Ergebnissen.

Charisma ohne Charakter ist wertlos oder sogar gefährlich. Charakter hat immer Priorität. Man muss meinen, was man sagt und demgemäß handeln. Charakter und Charisma führen nicht nur dazu, ein ausgezeichneter Leader mit einem ausgezeichneten Team zu sein, sondern sie führen zu mehr Beziehungsqualität und besseren Ergebnissen.

Unterscheidungsfähigkeit

Gute Leader können exakt trennen und sind nicht harmoniesüchtig. Wer unterscheiden kann, der kann auch ent- scheiden. Trennschärfe, beruhend auf Fakten, Beobachtung und Empathie ist ein wichtiges Instrument. Tatsachen bedürfen keiner Deutung.

Ungenauigkeiten in der Diktion vermeidet ein Leader tunlichst. Er hat die Größe, über gewisse Fehler hinweg- zusehen, macht aber seine Mitstreiter auf eklatante Schwächen aufmerksam. Sie bekommen dadurch Gelegenheit, an sich zu arbeiten.

Man muss einer Organisation immer ein Maximum an Klarheit geben. Wer andere führen will, muss sich klar und zügig entscheiden. Ein Leader kann nicht immer aus Angst, entscheiden zu müssen, für alle Möglichkeiten offen sein. Wer ständig für alles offen ist, ist nicht ganz ehrlich. Wer Entscheidungen fortlaufend aufschiebt, bremst seine Mitarbeiter in ihrem Elan und macht sie unzufrieden. Dies führt zu Aggressionen und einem beeinträchtigten Betriebsklima.

Führungsstärke ist Entscheidungsstärke, Mut und Zuversicht.

Erfolgsfaktoren am Limit

Es ist die tägliche Herausforderung, den Bedürfnissen des Unternehmens und jenen der Menschen im Unterneh- men gerecht zu werden.

  • Seien Sie Vorbild.
  • Leben Sie Optimismus und Selbstvertrauen.
  • Übernehmen Sie Risiko und beachten Sie das wesentliche Ziel.
  • Achten Sie auf sich selbst.
  • Minimieren Sie Hierarchieunterschiede – fördern Sie Höflichkeit und Respekt.
  • Geben Sie nie auf. Es gibt immer alternative Schritte.

Großartige Leader. Großartige Teams. Großartige Resultate.

Was wir brauchen sind Ideen und Mut, Loyalität und Begeisterung. Das ist das wirkliche Kapital unserer Zukunft.

Wir alle suchen Leader, die uns gesund und würdevoll durch alle Gefahren leiten und uns eine realistische Chance lassen, nicht aus Verzweiflung und Überbelastung, sondern friedlich in unseren Betten zu sterben.

Leadership heißt Mut machen

Leader sind zuversichtlich und vertrauen auf ihre eigene Gestaltungskraft und die Potenziale ihres Teams. Sie stellen sich schützend vor ihre Leute, wenn Fehler passiert sind. Zudem können sie sich und anderen eingestehen, dass sie sich geirrt haben. Leader stecken sich ambitionierte Ziele. Sie halten an et- was fest, von dem sie überzeugt sind. Selbst wenn sie dabei gegen den Strom schwimmen.

Mutmacher bestärken andere im Glauben an die eigenen Fähigkeiten. Ein Lea- der erfindet neue Wege, während er geht, weil er über die nötige Zuversicht verfügt. Weitblick hat nichts damit zu tun, wie weit man sieht. Sondern damit, wie weit man denkt. Und wie weit man gehen will. Es birgt eine wichtige Erkenntnis in sich, nicht aufzugeben, wenn man knapp vor dem Ziel steht.

Sie können mehr

Es ist keinesfalls unmöglich, Führungskunst zu beherrschen. Leader können mehr als sich dem Satz „Menschen lassen sich nicht managen“ ergeben. Leader können Mut machen. Lea- der können und müssen Mut machen. Leader können das schaffen!

Als Leader gewinnen Sie Menschen für ein Ziel, gewinnen Sie An- sehen und Loyalität, gewinnen Sie Lebensqualität und natürlich gewinnen Sie auch finanziell. Ihr Erfolg gibt Ihnen Recht.