Peter Baumgartner: Coach, Redner und Autor von „Leadership leben“ Das Interview führte Jürgen Philipp.

Der Gmundner Autor Peter Baumgartner ist Diplom-Pädagoge und Wirtschaftsingenieur. Die Ansätze aus beiden Ausbildungswegen kombiniert er in seinen Führungskräfte-Seminaren. Sein neuestes Buch widmet sich dem Leadership.

CHEFINFO begibt sich auf die Frage nach den Geheminissen von guten Führungskräften.

CHEFINFO: Es ist auffallend, dass in letzter Zeit eine Art Stereotyp für Leadership Vladimir Putin zu sein scheint. Ist Putin ein Leader?

Baumgartner: Das ist ganz das Gegenteil von dem, was ich unter Leadership verstehe. Leader sind Mutmacher und setzen keinesfalls auf Angst. Streng hierarchische Manager arbeiten mit Verängstigungsmechanismen und Angst ist immer eine schlechte Basis. Das hat vielleicht früher im alten Rom im Kolosseum funktioniert. Gute Führungskräfte führen mit Begeisterung in einem fairen Arbeitsumfeld. Gute Führungskräfte kombinieren Entscheidungsstärke mit Mut und Zuversicht. Die Führungskraft muss unterscheiden und entscheiden können. Die Leute wollen ehrliche Antworten, sie wollen Bescheid wissen und sie wollen sicher geführt werden. Wirklich gute Chefs agieren daher abseits von Eitelkeiten. Wenn ein Unternehmen etwa einen Forschungspreis gewinnt, gehen gute Chefs bei einer Preisverleihung nicht – oder nicht allein – auf die Bühne, sondern überlassen dies den Menschen, die konkret hinter dem Erfolg stehen. Eitelkeit ist wenig stilvoll.

CHEFINFO: Reicht es dann, charakterstark und empathisch zu sein bzw. ist Sachverstand bei einem guten Leader überbewertet?

Baumgartner: Sachverstand ist die Basis, auch Managementqualitäten, also das Verstehen der Prozesse, alles, was darüber hinausgeht, ist Leadership. In großartigen Unternehmen kann etwas entstehen, die Mitarbeiter können in einen „Flow“ kommen und ihre Arbeit wirklich gerne machen. Ich weiß, ich bin da sehr idealistisch, aber es gibt seit den 1920er Jahren Untersuchungen, wie sehr die Arbeitsleistung der Mitarbeiter von Kleinigkeiten abhängt. Etwa die klassische Hawthorne- Studie von General Electric. Mit etwas mehr an Aufmerksamkeit und Respekt rufen die Mitarbeiter höhere Leistungen ab als der Durchschnitt.

CHEFINFO: Ist da nicht ein Widerspruch zu flachen Hierarchien und mehr Eigenverantwortung, wenn man geführt werden will?

Baumgartner: Das ist sicher ein Dilemma, manche Leute wollen mitreden, aber nicht unbedingt entscheiden. Natürlich müssen die Mitarbeiter etwas tun. Echte Leader aber schöpfen das Potenzial ihrer Mitarbeiter aus, ohne sie zu erschöpfen. Sie fordern sie, ohne zu überfordern. Gute Leader haben die Gabe, mehr aus den Leuten herauszuholen. Die Mitarbeiter erkennen, was alles in ihnen steckt.

CHEFINFO: Gibt es da irgendwelche Vorbilder der idealen Führungskraft?

Baumgartner: Da würde schnell die Gefahr des Kopierens bestehen, des Nacheiferns. Grundsätzlich hat ja jeder auf seine Art das Potenzial, Großes zu schaffen. Die ideale Führungskraft schafft Wertschöpfung durch Wertschätzung. Neben Gehalt und Leistungsanerkennung geht es um „Kleinigkeiten“, etwa wenn man weiß, wann ein Mitarbeiter Geburtstag hat, oder fragt, wie die Erstkommunion der Tochter war.

CHEFINFO: Sie schreiben auch, dass Managementfehler sehr viel Geld kosten. Von wie viel sprechen wir da?

Baumgartner: Eine Studie des Bundesministeriums für Arbeit in Deutschland hat die Kosten von Managementfehlern errechnet. Deutschland, Österreich und die Schweiz standen im Fokus. In Österreich gehen etwa 15 Mrd. Euro im Jahr verloren. Wer ohne Respekt und Wertschätzung führt, riskiert, dass die Mitarbeiter krank werden, und das kostet Geld. Leadership ist Produktivität.

CHEFINFO: Eine der größten Managementaufgaben der Zukunft wird die Integration von jungen Menschen sein, wie kann man die Generationen zusammenführen?

Baumgartner: Von den Erwerbstätigen Mitteleuropas werden in den nächsten zehn Jahren 29 Prozent in Pension gehen und nur 12 Prozent nachkommen. Leader haben also heute zwei wesentliche Management-Herausforderungen: Erstens müssen sie die Generation Y integrieren, zweitens müssen sie ältere Mitarbeiter gesund und motiviert im Unternehmen halten. Es geht darum, die Jungen und Alten erfolgreich zusammenzuführen. Foto: fotopass.at Die Attraktivität des Standortes wird entscheidender. In Deutschland gibt es den Trend, dass Firmenwagen obsolet werden. 25 Prozent der jungen Menschen haben gar keinen Führerschein. Sie sind anders mobil, rein über das Gehalt oder klassische Incentives wird das per se nicht mehr gehen. Doch heute treffen manchmal Leute Entscheidungen, die ihre Zukunft schon hinter sich haben. Erfahrung ist wichtig, aber man muss die Alten und die Jungen besser mischen.

CHEFINFO: Welche Herausforderungen sehen Sie auf die Bildungspolitik und die Weiterbildung in Unternehmen zukommen?

Baumgartner: In den USA gab es den Sputnik-Schock, als die Russen den ersten Satelliten ins All schossen. Kennedys Antwort darauf war eine massive Bildungsoffensive, was schließlich zur ersten Mondlandung führte. Ein „Sputnik- Schock“ fehlt heute. Die Menschheit wurde immer von den Lernenden vorangebracht, doch zu lernen – noch dazu aus der Geschichte – ist in unseren Breiten nicht besonders cool. Wir brauchen eine ganz an dere Einstellung zum Lernen, auch in Firmen. Wissensmanagement in Unternehmen ist erfolgsentscheidend. Wenn A nicht weiß, was B macht, gibt es ein Problem. Wissen zu horten, führt ins Abseits.

CHEFINFO: Sie schreiben dass Charakter und Charisma entscheidend sind. Kann man Charakter und Charisma lernen?

Baumgartner: Charakter kann man lernen, das beginnt im Elternhaus – bezahle ich für den Einkauf, bin ich ehrlich, …? Wie gehe ich mit Menschen oder Tieren um? Das ist im hohen Maß erlernbar. Charisma ist einerseits angeboren, anderseits können wir an unserem Charisma arbeiten. Negativbeispiele gibt es aber auch genug. Adolf Hitler hatte eine Art Charisma, aber keinen Charakter. Er war kein Führer, sondern Verführer. Heute kann man lernen, freundlich und empathisch zu sein. Man muss sich vor Augen halten, dass in Österreich 3,5 Milliarden Euro im Jahr für Bildung – abseits des Schulsystems – ausgegeben werden, vieles davon in die Persönlichkeitsentwicklung. Das Bewusstsein ist also da.